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Hermann Bausinger erlebte ich in der Studienzeit der 1980er Jahren als sehr offenen und neugierigen Forscher und Gelehrten, der das LUI im kreativ-wissenschaftlich-familiären Geist zusammen mit den anderen Lehrenden Utz Jeggle, Wolfgang Kaschuba, Christel Köhle-Hezinger, Gottfried Korff und Bernd Jürgen Warneken führte. Am meisten haben mich aus dem großen wissenschaftlichen Ouvre seine mentalitäts- und kulturhistorischen Studien beeindruckt, z.B. über die Schwaben im 19. und 20. Jahrhundert und über die Deutschen. Oft mit einem Augenzwinkern haben seine Beobachtungen und Interpretationen stets ins Schwarze getroffen. Auch nach Jahrzehnten bleiben seine Werke erfrischend lesenswert. Herzlichen Dank an den großen Gelehrten.
In dem Nachruf von Josef-Otto Freudenreich auf Hermann Bausinger, den
die KONTEXT: Wochenzeitung am 4. Dezember 2021 veröffentlichte, heißt es über den einst als „Tarzan-Professor“ Bezeichneten: „Wer sich so behende an der Liane durch den akademischen Dschungel schwingt, ist auch von 68ern nicht zu erschrecken. Es heißt, er habe seine schützende Hand über sie gehalten, wie etwa über Bernd Jürgen Warneken, der (…) einen Job am Bausinger-Institut gekriegt hat, nachdem er sich über Flipper-Automaten qualifiziert hatte“. Zu dieser (ziemlich wahren) Flipper-Story passt „schützen“ weniger als „unterstützen“, aber zur Geschichte meiner Einstellung als Assistent passt es dann doch. Damals, 1975, trieb der Radikalenerlass sein Unwesen, und Bausinger befürchtete, dass es auch mich als dezidiert Linken erwischen könnte. Deshalb griff er zu einem Trick: Er stellte mich nicht sofort als Assistent, sondern erst einmal als geprüfte Hilfskraft ein, da seines Wissens an Hilfskräfte weniger strenge politische Kriterien angelegt wurden. Bald darauf wurde ich verbeamtet. Bausingers schützende Hand wurde für mich in der Folgezeit zur verlässlich helfenden und schließlich zur freundschaftlich ausgestreckten Hand. Ich drücke sie durch die uns nun trennende Wand hindurch mit großer Dankbarkeit.
die KONTEXT: Wochenzeitung am 4. Dezember 2021 veröffentlichte, heißt es über den einst als „Tarzan-Professor“ Bezeichneten: „Wer sich so behende an der Liane durch den akademischen Dschungel schwingt, ist auch von 68ern nicht zu erschrecken. Es heißt, er habe seine schützende Hand über sie gehalten, wie etwa über Bernd Jürgen Warneken, der (…) einen Job am Bausinger-Institut gekriegt hat, nachdem er sich über Flipper-Automaten qualifiziert hatte“. Zu dieser (ziemlich wahren) Flipper-Story passt „schützen“ weniger als „unterstützen“, aber zur Geschichte meiner Einstellung als Assistent passt es dann doch. Damals, 1975, trieb der Radikalenerlass sein Unwesen, und Bausinger befürchtete, dass es auch mich als dezidiert Linken erwischen könnte. Deshalb griff er zu einem Trick: Er stellte mich nicht sofort als Assistent, sondern erst einmal als geprüfte Hilfskraft ein, da seines Wissens an Hilfskräfte weniger strenge politische Kriterien angelegt wurden. Bald darauf wurde ich verbeamtet. Bausingers schützende Hand wurde für mich in der Folgezeit zur verlässlich helfenden und schließlich zur freundschaftlich ausgestreckten Hand. Ich drücke sie durch die uns nun trennende Wand hindurch mit großer Dankbarkeit.
Wir trauern um den Freund und Gelehrten Hermann Bausinger und sind der Familie und dem Institut sehr nah.
Ein ganz großer ist von uns gegangen. Einer, der zuhörte. Genau zuhörte. Wenn wir in der Runde am großen Tisch im Mayerhöfle zusammensaßen, da war er ganz Ohr. Ich wunderte mich manchmal, welche der studentischen Anekdoten im nächsten Forschungsprojekt landen würden. Denn vor dem Erzählen, Analysieren und Publizieren steht das Zuhören, das er alles so meisterhaft verstand.
Seiner Familie und dem Lui sende ich meine herzliche Anteilnahme
Seiner Familie und dem Lui sende ich meine herzliche Anteilnahme
Der Begriff "Volkskunde" erschien mir ideologisch verdächtig, als ich 1960 in Tübingen zu studieren begann. Mein Hauptfach war Germanistik, meine Nebenfächer Geschichte und Politik. Aber nur drei Jahre später "konvertierte" ich vom Hauptfach Germanistik zur Volkskunde. Wie das? Freunde hatten mich auf die Vorlesungen und Seminare des Professors Hermann Bausinger hingewiesen. Sehr bald war ich fasziniert von der kultursoziologischen Perspektive der Volkskunde, vor allem aber von der Persönlichkeit Hermann Bausingers. Er hatte zu seinen Studenten einen sehr persönlichen Zugang mit seiner Warmherzigkeit und seinem Humor, was ihn von vielen anderen Professoren unterschied. Und bei ihm lernte ich eine neue Dimension von "Heimat", "Volk" und "Kultur" kennen: neben der "Hochkultur" die "Volkskultur", neben der "Literatur" die "Trivialliteratur" ... usw. Für mich als Germanist erschien es anfangs undenkbar, kitschige Heimatromane oder James-Bond-Filme ebenfalls wissenschaftlich zu analysieren. Aber ich habe dann im Fach Volkskunde meine Magisterarbeit zum Thema Blut-und-Bodenroman geschrieben und später dann zum selben Thema bei Bausinger im Fach Empirische Kulturwissenschaft promoviert.
In den 1960er-Jahren hatte ich ein Problem damit, mich als "Volkskundler" zu bezeichnen, wo doch schon damals die Seminare bei Professor Bausinger eine große Distanz zu den traditionellen Lehrinhalten der Volkskunde signalisierten. Dass dann Bausinger das Fach Volkskunde in Empirische Kulturwissenschaft umbenannte und für die Volkskunde des gesamten deutschen Sprachraums eine neue Orientierung einleitete, beeindruckte mich stark. Ich habe mit Professor Bausinger noch weitere Jahrzehnte Kontakt gehabt, unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Und mir wurde bewusst, wie sehr ich in meiner beruflichen Laufbahn von seiner Methodik geprägt bin, "Kultur" soziologisch zu betrachten.
Seit den 1960er-Jahren bin ich viel in islamischen, indischen sowie fernöstlichen Kulturräumen unterwegs. Ich habe zahlreiche Bücher über meine Begegnungen mit diesen fremden Kulturen verfasst. Aber sehr hilfreich war für mich, dass ich mich beim Vergleich zwischen den westlichen und den fremden Kulturen an der Methodik von Bausinger orientieren konnte: Ich begann zu fragen, in welcher Form Türken, Araber, Iraner, Inder, Chinesen, Japaner u.a. "Heimat", "Volk", "Kultur" verstehen - und stellte fest, dass ihre Vorstellungen ebenso fließend und historisch wandelbar sind wie bei uns in Europa. Auch stilistisch habe ich von Bausinger gelernt: komplizierte Sachverhalte stets mit prägnanten Schilderungen des Alltags zu verbinden.
Hermann Bausinger wird für mich in Erinnerung bleiben, weil er mich durch seine Mitmenschlichkeit und durch seinen weiten wissenschaftlichen Horizont beeindruckt hat.
In den 1960er-Jahren hatte ich ein Problem damit, mich als "Volkskundler" zu bezeichnen, wo doch schon damals die Seminare bei Professor Bausinger eine große Distanz zu den traditionellen Lehrinhalten der Volkskunde signalisierten. Dass dann Bausinger das Fach Volkskunde in Empirische Kulturwissenschaft umbenannte und für die Volkskunde des gesamten deutschen Sprachraums eine neue Orientierung einleitete, beeindruckte mich stark. Ich habe mit Professor Bausinger noch weitere Jahrzehnte Kontakt gehabt, unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Und mir wurde bewusst, wie sehr ich in meiner beruflichen Laufbahn von seiner Methodik geprägt bin, "Kultur" soziologisch zu betrachten.
Seit den 1960er-Jahren bin ich viel in islamischen, indischen sowie fernöstlichen Kulturräumen unterwegs. Ich habe zahlreiche Bücher über meine Begegnungen mit diesen fremden Kulturen verfasst. Aber sehr hilfreich war für mich, dass ich mich beim Vergleich zwischen den westlichen und den fremden Kulturen an der Methodik von Bausinger orientieren konnte: Ich begann zu fragen, in welcher Form Türken, Araber, Iraner, Inder, Chinesen, Japaner u.a. "Heimat", "Volk", "Kultur" verstehen - und stellte fest, dass ihre Vorstellungen ebenso fließend und historisch wandelbar sind wie bei uns in Europa. Auch stilistisch habe ich von Bausinger gelernt: komplizierte Sachverhalte stets mit prägnanten Schilderungen des Alltags zu verbinden.
Hermann Bausinger wird für mich in Erinnerung bleiben, weil er mich durch seine Mitmenschlichkeit und durch seinen weiten wissenschaftlichen Horizont beeindruckt hat.