32 Einträge
Ich bin Hermann Bausinger neben seiner wissenschaftlichen Leistung vor allem dafür dankbar, dass er mit seinem Institut und wie er es geführt hat, Freiräume eröffnet hat, die für mich und meine persönliche Entwicklung - und sicher für viele andere auch - entscheidend wichtig waren: lebensprägend!
Ich hatte leider nie die Gelegenheit, Hermann Bausinger intensiver kennenzulernen, aber er war und ist mir in seinem wissenschaftlichen Werk präsent und lieb geworden. Einmal, es war in den 1980er Jahren, durfte ich ihn persönlich in einem Seminar erleben, als wir "Innsbrucker" Tübingen und das EKW besuchten. Zufällig war das Thema Südtirol und wir waren plötzlich nicht nur Subjekt, sondern auch Objekt. Wir bedankten uns mit einer blauen Schürze. Spätere Treffen fanden in größerem Rahmen statt, beim Maultaschenessen etc. An meinem Schreibtisch liegt sein letztes Buch zum Thema Heimat: "Heimat. Kann die weg?" ein Gespräch mit Muhterem Aras. Für mich ein Vermächtnis seines Wirkens. Danke für alles, Herr (Prof.) Bausinger.
In den Jahren 2012-2016 habe ich an der LMU Volkskunde studiert. Ganz am Anfang: Bausinger, Der Adventskranz. Als ich später im Studium nochmal "einen Bausinger" zu lesen hatte, finde ich da heute die Randnotiz "Ich mag Bausinger!". In seinem Schreibstil blitzte immer auch Selbstironie und Witz hervor. Danke, Hermann.
Die Bedeutung von Hermann Bausinger für mich
An einen eher trüben Spätwinternachmittag, wohl 1962, stand ich in Tübingen auf dem Haspelturm und überlegte: Wo studiere ich weiter? In Mainz hatte mich Lutz Röhrich, damals noch Germanist, in einen Sagen-Seminar für die Volkskunde gewonnen. Sie interessierte mich, weil das, was da behandelt wurde, etwas zu tun hatte, mit der Lebenswelt meiner Eltern aus dem ländlichen Rhein-Taunus. Zum Studium dieses Faches musste ich woanders hin, denn Röhrich lehrte Germanistik, und Volkskunde gab es in Manz noch nicht. Röhrich nannte mir Marburg, wo Heilfurth kurz vorher angefangen hatte, und Tübingen mit Bausinger als mögliche Studienorte. In Mainz hatte ich gute Kontakte zu dem dortigen von Theologen geprägten Sozialistischen Deutschen Studentenbund , dem ich weiter angehören wollte. In Tübingen hatte ich kurz vorher mit dem dortigen SDS-Vorsitzenden telefoniert, aber keine besondere Resonanz gefunden. In Marburg hatte sich der SDS gerade gespalten und ich sollte dort die Gruppe des „richtigen“, sich nicht in Abhängigkeit zur DDR begebenden SDS, wieder aufbauen. Das gelang mir dann mit Hilfe von einigen Schülerinnen und Schülern von Wolfgang Abendroth wieder. Mit ihnen und ihm vertiefte sich mein Interesse am Historischen Materialismus. Das änderte aber nichts an meinem Interesse an der Volkskunde. Ich studierte das Fach, von dem meine Genossinnen und Genossen vom SDS nichts verstanden, und ich war gezwungen, beides irgendwie in meinem Kopf zusammenzubringen.
Bausinger trat dann 1969 in Erscheinung: Heilfurth hatte mich beauftragt, in Detmold mit Brückner einen Vortrag „Wem nützt Volkskunde“ zu halten. Nach dem Vortrag trat Bausinger in einem sonnigen Straßencafe, in dem ich mit meiner damaligen Frau saß, an mich heran und fragte, ob ich mit einer schriftlichen Diskussion über meinen Vortrag in der „Zeitschrift für Volkskunde“ einverstanden wäre. Sie fand statt, und zwischen den „Tübingern“ und „Marburgern“ kam es danach immer wieder zu intensiven Kontakten, oft über Frankfurt mit Heinz Schilling, später mit Ina Maria Greverus. Bausinger wirkte für mich inspirierend, insbesondere auch wenn es um die politische Bedeutung der Volkskunde und um die Auseinandersetzung mit der NS-Volkskunde ging. Es gab immer wieder Kontakte, auch im Zusammenhang mit meiner Wiener Habilitation, für die er als Auswärtiger Gutachter auftrat. Zuletzt war mein Text „Es gibt ein Genug“ 2019 eine Auseinandersetzung mit einem von Hermann Bausinger aufgeworfenen Problem. (S. 95)
Dankbar war ich in all den Jahren für die Begegnungen und brieflichen Kontakte mit Hermann Bausinger. Und ich bin traurig, dass sie jetzt nicht mehr möglich sind.
An einen eher trüben Spätwinternachmittag, wohl 1962, stand ich in Tübingen auf dem Haspelturm und überlegte: Wo studiere ich weiter? In Mainz hatte mich Lutz Röhrich, damals noch Germanist, in einen Sagen-Seminar für die Volkskunde gewonnen. Sie interessierte mich, weil das, was da behandelt wurde, etwas zu tun hatte, mit der Lebenswelt meiner Eltern aus dem ländlichen Rhein-Taunus. Zum Studium dieses Faches musste ich woanders hin, denn Röhrich lehrte Germanistik, und Volkskunde gab es in Manz noch nicht. Röhrich nannte mir Marburg, wo Heilfurth kurz vorher angefangen hatte, und Tübingen mit Bausinger als mögliche Studienorte. In Mainz hatte ich gute Kontakte zu dem dortigen von Theologen geprägten Sozialistischen Deutschen Studentenbund , dem ich weiter angehören wollte. In Tübingen hatte ich kurz vorher mit dem dortigen SDS-Vorsitzenden telefoniert, aber keine besondere Resonanz gefunden. In Marburg hatte sich der SDS gerade gespalten und ich sollte dort die Gruppe des „richtigen“, sich nicht in Abhängigkeit zur DDR begebenden SDS, wieder aufbauen. Das gelang mir dann mit Hilfe von einigen Schülerinnen und Schülern von Wolfgang Abendroth wieder. Mit ihnen und ihm vertiefte sich mein Interesse am Historischen Materialismus. Das änderte aber nichts an meinem Interesse an der Volkskunde. Ich studierte das Fach, von dem meine Genossinnen und Genossen vom SDS nichts verstanden, und ich war gezwungen, beides irgendwie in meinem Kopf zusammenzubringen.
Bausinger trat dann 1969 in Erscheinung: Heilfurth hatte mich beauftragt, in Detmold mit Brückner einen Vortrag „Wem nützt Volkskunde“ zu halten. Nach dem Vortrag trat Bausinger in einem sonnigen Straßencafe, in dem ich mit meiner damaligen Frau saß, an mich heran und fragte, ob ich mit einer schriftlichen Diskussion über meinen Vortrag in der „Zeitschrift für Volkskunde“ einverstanden wäre. Sie fand statt, und zwischen den „Tübingern“ und „Marburgern“ kam es danach immer wieder zu intensiven Kontakten, oft über Frankfurt mit Heinz Schilling, später mit Ina Maria Greverus. Bausinger wirkte für mich inspirierend, insbesondere auch wenn es um die politische Bedeutung der Volkskunde und um die Auseinandersetzung mit der NS-Volkskunde ging. Es gab immer wieder Kontakte, auch im Zusammenhang mit meiner Wiener Habilitation, für die er als Auswärtiger Gutachter auftrat. Zuletzt war mein Text „Es gibt ein Genug“ 2019 eine Auseinandersetzung mit einem von Hermann Bausinger aufgeworfenen Problem. (S. 95)
Dankbar war ich in all den Jahren für die Begegnungen und brieflichen Kontakte mit Hermann Bausinger. Und ich bin traurig, dass sie jetzt nicht mehr möglich sind.
Mit großer Betroffenheit haben die Mitarbeiter:innnen und Studierenden des Instituts für Europäische Ethnologie in Wien den Tod Hermann Bausingers zur Kenntnis genommen. Ein schwerer Verlust und eine große Lücke, die der kritische Erneuerer des Faches aus Tübingen mit lokaler Bindung und globalem Horizont hinterlässt. Wir alle haben ihm viel zu verdanken und sehr viel von ihm gelernt.
Dass die Europäische Ethnologie ein attraktiver wissenschaftlicher Zugang zur Welt ist, der gesellschaftlich relevante Fragen zu formulieren weiß und zentrale Erkenntnisse bzw. Einblicke in gesellschaftliche Verhältnisse eröffnet, ist nicht zuletzt Hermann Bausingers Impuls zur Entwicklung und Etablierung einer empirischen Kulturwissenschaft zu verdanken. Vorausgegangen war die als unerlässlich erkannte kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten, Begriffen und Zugängen der vormaligen (völkisch orientierten) Volkskunde, die Bausinger von Tübingen aus praktizierte und forderte, während andernorts ehemalige Parteimitglieder oder sogar SS-Angehörige wieder in Amt und Würden saßen. Statt spekulativer Ursprungssuche brachte das neu aufgestellte Fach damit einen kritisch-reflexiven Zugang auf gesellschaftliches Zusammenleben ein und zeigte sich der gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft bewusst.
Mich persönlich überzeugte und prägte speziell Bausingers Auslegung des Faches als empirische Alltagskulturwissenschaft. Die Verbundenheit mit seiner Region und Sprache, der kulturtheoretisch grundierte Blick auf alltägliche Situationen und Dialoge führten vor Augen und lehrten, wie exemplarische Beobachtungen eine Auslegung erfahren können, die keinen Hauch von Provinzialität und unpolitischer Banalität transportiert, sondern auf grundlegende anthropologische Fragen hinführt sowie die Dynamik und Verwobenheit von Kultur und Gesellschaft verdeutlicht. In diesem spezifischen Blick auf Alltagskultur sowie der damit einhergehenden, geradezu verkörperlichten Aufmerksamkeit für gesellschaftliche Phänomene selbst in nebensächlich scheinenden Situationen des persönlichen Erlebens – und sei es ein kurzer Smalltalk zu und vor Weihnachten mit Kollegen – fühle ich mich Hermann Bausinger sehr verbunden und sehe mit Dankbarkeit viele Anregungen.
Und dies nicht nur in inhaltlicher, theoretischer oder methodischer Hinsicht. Seine große Leidenschaft für (die deutsche) Sprache artikulierte sich in einer fundiert-geistreichen Wortwahl und einem Sprachvermögen, das das Lesen und Hören zum Genuss werden ließ und lässt. Auch im hohen Alter verfolgte Hermann Bausinger rege die fachlichen Aktivitäten und brachte sich auf Anfrage ein. So auch mit einem Beitrag für die „Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar“, das im Böhlau Verlag erscheint und als Sonderausgabe auch von der Bundeszentrale für politische Bildung vertrieben wird. Schon die erste Einreichung seiner Ausführungen zum Begriff „deutsch“ waren ausgefeilt, von einer beeindruckenden Dichte und einem gelehrten Wissensfundus, ja bis zu den Nachweisen hin vollständig und präzise. Kleine Rückfragen beantwortete er oft als erster und signalisierte nebenbei unaufdringlich Eile, die Arbeit abschließen zu wollen – wohl auch im Wissen um die eigene Endlichkeit. Das soeben druckfrisch eingetroffene Buch kann er selbst nun nicht mehr in Händen halten. Das bedauern Verlag und Herausgeber:in sehr und sind umso dankbarer und glücklich, dass er an diesem Gemeinschaftswerk noch mitwirken konnte.
Auch in der Art Kontakte zu pflegen, handelte Mendel besonders und mit Bedacht. Die älteste Nachricht, die die aktuelle Version meines Mailkontos aufzeigt, stammt vom 4.1.2016 und führt knapp und bündig „2016“ in der Betreffzeile an. Als Verfasser scheint Hermann Bausinger auf. In gewohnt beeindruckender Wortwahl, die seine Grußbotschaften, kurze Antwortschreiben ebenso wie seine wissenschaftlichen Texte kennzeichnete, hat Mendel darin persönliche Neujahrswünsche übermittelt, die Interesse am und Empathie für das berufliche wie private Leben gleichermaßen ausdrücken. Sein respektvoll-wertschätzender, verbindlicher Umgang beeindruckte mich – Ausdruck einer hohen sozialen und kommunikativen Kompetenz. Geradezu bescheiden trat Hermann Bausinger auf – er, der wie kaum jemand die Empirische Kulturwissenschaft geprägt und weltweit verbreitet hat, zeigte so gar keine Anzeichen akademischer Eitelkeit. Sein Abschied von diesem Austausch und gemeinsamer Erkenntnissuche ist auf vielen Ebenen ein schmerzhafter Verlust. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, seinen Freund:innen und engen Kolleg:innen in Tübingen und weit darüber hinaus.
Dass die Europäische Ethnologie ein attraktiver wissenschaftlicher Zugang zur Welt ist, der gesellschaftlich relevante Fragen zu formulieren weiß und zentrale Erkenntnisse bzw. Einblicke in gesellschaftliche Verhältnisse eröffnet, ist nicht zuletzt Hermann Bausingers Impuls zur Entwicklung und Etablierung einer empirischen Kulturwissenschaft zu verdanken. Vorausgegangen war die als unerlässlich erkannte kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten, Begriffen und Zugängen der vormaligen (völkisch orientierten) Volkskunde, die Bausinger von Tübingen aus praktizierte und forderte, während andernorts ehemalige Parteimitglieder oder sogar SS-Angehörige wieder in Amt und Würden saßen. Statt spekulativer Ursprungssuche brachte das neu aufgestellte Fach damit einen kritisch-reflexiven Zugang auf gesellschaftliches Zusammenleben ein und zeigte sich der gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft bewusst.
Mich persönlich überzeugte und prägte speziell Bausingers Auslegung des Faches als empirische Alltagskulturwissenschaft. Die Verbundenheit mit seiner Region und Sprache, der kulturtheoretisch grundierte Blick auf alltägliche Situationen und Dialoge führten vor Augen und lehrten, wie exemplarische Beobachtungen eine Auslegung erfahren können, die keinen Hauch von Provinzialität und unpolitischer Banalität transportiert, sondern auf grundlegende anthropologische Fragen hinführt sowie die Dynamik und Verwobenheit von Kultur und Gesellschaft verdeutlicht. In diesem spezifischen Blick auf Alltagskultur sowie der damit einhergehenden, geradezu verkörperlichten Aufmerksamkeit für gesellschaftliche Phänomene selbst in nebensächlich scheinenden Situationen des persönlichen Erlebens – und sei es ein kurzer Smalltalk zu und vor Weihnachten mit Kollegen – fühle ich mich Hermann Bausinger sehr verbunden und sehe mit Dankbarkeit viele Anregungen.
Und dies nicht nur in inhaltlicher, theoretischer oder methodischer Hinsicht. Seine große Leidenschaft für (die deutsche) Sprache artikulierte sich in einer fundiert-geistreichen Wortwahl und einem Sprachvermögen, das das Lesen und Hören zum Genuss werden ließ und lässt. Auch im hohen Alter verfolgte Hermann Bausinger rege die fachlichen Aktivitäten und brachte sich auf Anfrage ein. So auch mit einem Beitrag für die „Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar“, das im Böhlau Verlag erscheint und als Sonderausgabe auch von der Bundeszentrale für politische Bildung vertrieben wird. Schon die erste Einreichung seiner Ausführungen zum Begriff „deutsch“ waren ausgefeilt, von einer beeindruckenden Dichte und einem gelehrten Wissensfundus, ja bis zu den Nachweisen hin vollständig und präzise. Kleine Rückfragen beantwortete er oft als erster und signalisierte nebenbei unaufdringlich Eile, die Arbeit abschließen zu wollen – wohl auch im Wissen um die eigene Endlichkeit. Das soeben druckfrisch eingetroffene Buch kann er selbst nun nicht mehr in Händen halten. Das bedauern Verlag und Herausgeber:in sehr und sind umso dankbarer und glücklich, dass er an diesem Gemeinschaftswerk noch mitwirken konnte.
Auch in der Art Kontakte zu pflegen, handelte Mendel besonders und mit Bedacht. Die älteste Nachricht, die die aktuelle Version meines Mailkontos aufzeigt, stammt vom 4.1.2016 und führt knapp und bündig „2016“ in der Betreffzeile an. Als Verfasser scheint Hermann Bausinger auf. In gewohnt beeindruckender Wortwahl, die seine Grußbotschaften, kurze Antwortschreiben ebenso wie seine wissenschaftlichen Texte kennzeichnete, hat Mendel darin persönliche Neujahrswünsche übermittelt, die Interesse am und Empathie für das berufliche wie private Leben gleichermaßen ausdrücken. Sein respektvoll-wertschätzender, verbindlicher Umgang beeindruckte mich – Ausdruck einer hohen sozialen und kommunikativen Kompetenz. Geradezu bescheiden trat Hermann Bausinger auf – er, der wie kaum jemand die Empirische Kulturwissenschaft geprägt und weltweit verbreitet hat, zeigte so gar keine Anzeichen akademischer Eitelkeit. Sein Abschied von diesem Austausch und gemeinsamer Erkenntnissuche ist auf vielen Ebenen ein schmerzhafter Verlust. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, seinen Freund:innen und engen Kolleg:innen in Tübingen und weit darüber hinaus.