Was empfanden Menschen vor Ort – in einer jüdischen württembergischen Landgemeinde –, als SA-Männer im November 1938 in den Häusern ihrer jüdischen Nachbarn randalierten, als deren Hab und Gut in den Gassen des Dorfes versteigert wurde und die letzten Juden 1942 auf Leiterwagen in die Konzentrationslager deportiert wurden?
Die Kulturwissenschaftlerin Franziska Becker hat Ende der 1980er-Jahre über das sogenannte Judendorf Baisingen im Landkreis Tübingen geforscht. Die Bewohner und Bewohnerinnen wurden nach ihren Erinnerungen
an die Auslöschung ihrer jüdischen Gemeinde befragt. Zugleich wurden die NS-Gewaltgeschehnisse anhand von Archivalien, u. a. in den lokalen Finanzämtern, minutiös rekonstruiert.
Das Buch geht diesen Versionen mündlich erzählter Heimatgeschichte nach und zeigt Techniken des lokalen Erinnerns auf, die weniger auf Tatsachen beruhen als vielmehr „Geschichte in Wunschform“ präsentieren.
Denn so verliert Geschichte ihre gefährliche Dimension. Wie modelliert das Gedächtnis fatale Ereignisse? Wie sehen solche Verdrängungen und Verdrehungen aus und wie können sie interpretiert und verstanden werden, ohne sie einfach als Unwahrheiten abzutun? Denn: Kommen uns die Bewohner und Bewohnerinnen dieses Dorfes nicht allzu bekannt vor?
Das erstmals 1994 erschienene Buch ist seit Jahrzehnten vergriffen und erscheint hier in einer überarbeiteten Neuauflage mit Vorworten von Hermann Bausinger und Karlheinz Geppert sowie einem Nachwort der Autorin.
2023 – 252 S., Illustrationen
ISBN: 978-3-947227-15-0
Preis: 20,00 Euro
TVEKW-Mitglieder: 13,00 Euro